Montag, 21. April 2025

    Im gestrigen Beitrag wurde erläutert, warum ich NET Countertrend-Kaufsignalen gegenüber Leerverkaufssignalen (Short Selling Signalen) den Vorzug gebe.

    In dem Buch „Nachhaltig erfolgreich traden“ (abgekürzt: NET) erläutere ich auch mein Vorgehen bei der Aktienselektion. Im Gegensatz zur Selektion in einem positiven Umfeld, werden für den Countertrend-Bereich Aktien als Kaufkandidaten vorselektiert, die im Vergleich zum S&P 500 wesentlich stärker gefallen sind und zu den stärksten Verlierern, beispielsweise innerhalb eines Indices wie den Russell 1000, zählen.

    Der Grund für die Wahl von Aktien mit „Relativer Schwäche“ wird im Buch mit Hilfe einer Untersuchung dokumentiert, die zeigt, dass die grössten Verlierer der zum Russell 1000 gehörenden Werte in den 2-3 Monaten nach dem Generieren eines NET Countertrend-Signals mit Abstand am besten performt haben.

    Diese Untersuchungsergebnisse wurden auch nach Erscheinen des Buchs im Jahr 2015 bestätigt:

    • Am Wendepunkt im Januar/Februar 2016.
    • Zum Ende des Bärenmarktes Weihnachten 2018.
    • Am Aktienmarkttief der Corona-Pandemie, März 2020.
    • Zur Einleitung eines neuen Bullenmarktes, im Oktober 2022.

    Die Frage, die sich jetzt stellt lautet:

    Um es vorwegzunehmen: Eine richtige oder falsche Antwort gibt es nicht auf diese Frage.

    Vielmehr ist abzuwägen, was für und was gegen die Anwendung der Relativen Schwäche als Kernwerkzeug für die Aktienselektion spricht – wohlgemerkt für den Fall, dass ein NET Countertrend-Signal generiert wird.

    Ohne den aktuellen politischen Hintergrund wäre die Antwort auf obige Frage aus meiner Sicht eindeutig: Ich würde den bewährten Weg gehen und als Ausgangsbasis meiner Selektion auf die Relative Schwäche zurückgreifen.

    Aktuelles Umfeld als Begründung für einen anderen Selektionsprozess

    Nun sieht die aktuelle Situation aber anders aus: Die politische Unsicherheit ist gross, hervorgerufen von den USA insbesondere durch das planlose Herauf- und Heruntersetzen sowie Aussetzen oder Erhöhen von Strafzöllen für einzelne Länder. Von Donald Trumps andauernden, täglichen Ankündigungen, Drohungen und nicht ausformulierten Andeutungen ganz zu schweigen.

    In dem ganzen von der US Regierung auf die Spitze getriebene Chaos wird allerdings eines deutlich:

    Der Schaden ist angerichtet und irreparabel. Es wird kein Zurück, also keinen Reset zurück auf den Stand von dem Tag vor der Vereidigung des US Präsidenten im Januar diesen Jahres mehr geben.

    Wir erleben derzeit eine politische wie auch auch eine wirtschaftliche Neuordnung, in der insbesondere auch neue politische Kooperationen und Abhängigkeiten sowie Wirtschaftsräume mit neuen Lieferketten entstehen.

    Abwägung der Ansätze

    Vor diesem Hintergrund ist es leicht vorstellbar, dass der Ansatz, nach einem Countertrend-Kaufsignal in diejenigen Werte zu investieren, die am stärksten abgestürzt sind, sich als genau verkehrt erweisen kann.

    Denn diese Werte sind aus einem bestimmten Grund besonders deutlich abgestürzt: Sie leiden am meisten unter den von Donald Trump verkündeten Strafzöllen und gegebenenfalls auch unter neuen Gesetzen und Streichungen von Staatsmitteln.

    Beispiele für Gesellschaften, die unter den Strafzöllen besonders stark leiden, auch wenn diese vorübergehend für die meisten Produkte auf 10% heruntergesetzt worden sind, gibt es viele.

    Es gibt aber auch Unternehmen, die zusätzlich noch unter dem Umbau des Staatsapparates durch die neue Regierung leiden: Als Beispiel seien Consulting Firmen genannt, die bis vor kurzem noch die US Regierung berieten oder indirekt von den Staatsausgaben im Consulting Bereich profitierten. Accenture (Symbol: ACN) ist eines dieser betroffenen Unternehmen, die Opfer von Kürzungen des US Haushaltes durch DOGE geworden sind; siehe Grafik 1.

    In solche Werte wegen ihrer Relativen Schwäche nach eine NET Countertrend-Kaufsignal zu investieren, macht im aktuellen Umfeld vermutlich wenig Sinn – wenn auch nach dem Kursrückgang durch die Einsparungen hervorgerufene Umsatzausfälle bereits grösstenteils im Aktienkurs eingepreist sein dürften (Anmerkung: Ich kann mich natürlich auch irren).

    Relative Schwäche – Anwendung mit Hintergrundwissen

    Es gibt jedoch auch Ausnahmen, was die Selektion auf Basis der Relativen Schwäche betrifft. Hierzu zählen Aktien, die zu Branchen gehören, die stark gefallen sind und deren Grund für ihre Kursschwäche nicht oder verhältnismässig wenig mit den verhängten Strafzöllen zu tun hat.

    Als ein weiteres Beispiel für die Risiken, die im aktuellen politischen Umfeld in den USA vorherrschen, können die hochkapitalisierten Energieriesen Exxon (Symbol: XOM) und Occidental Petroleum (Symbol: OXY; Grafik 2) dienen, die erst vor kurzem von der US Regierung direkt aufgefordert wurden, ihre umweltschonenden Projekte und Fabriken aufzugeben (abzuschreiben).

    Unternehmen wie OXY (Warren Buffetts derzeitige Lieblingsaktie, wie Insider Käufe verraten) sind wirtschaftlich kerngesund und arbeiten hochprofitabel. Sie leiden jedoch – noch – unter den neuen Vorgaben der US Regierung und unter dem niedrigen Ölpreis (um nur zwei wesentliche Gründe für den Kursverfall zu nennen).

    Ein letztes Beispiel aus diesem Bereich wäre das Unternehmen Chevron (Symbol: CVX), welches unteranderem Öl an der Küste von Venezuela fördert und nun auf Geheiss der US Regierung die Förderung einstellen muss.

    Sollte sich ein NET Countertrend-Signal ergeben, welches zu einem nachhaltigen Anstieg führt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Ölpreis deutlich zulegt, gross. Der Aktienkurs von Unternehmen aus dem Öl & Gas Bereich dürfte davon dann besonderen Nutzen ziehen.

    Mein derzeitiger Weg

    Derzeit halte ich die folgende Reaktion auf ein NET Countertrend-Kaufsignal für den geeignetsten Weg:

    • Zunächst einmal überprüfe ich die aktuelle politische Situation und entscheide, inwieweit das Signal überhaupt umgesetzt werden soll – auch verkleinerte Positionen kommen dann infrage.
    • Soll das Signal umgesetzt werden, verwende ich einen gemischten Ansatz aus Relativer Schwäche und Relativer Stärke.
    • Aktien mit Relativer Schwäche würde ich – so wie oben beschrieben – bevorzugt aus Bereichen berücksichtigen, die nicht nur wegen der Strafzölle gefallen sind. Auch der Bereich Uran zählt hierzu (das Thema Uran kann als ein bereits vorhandenes, jedoch wenig beachtetes Megatrend-Thema gesehen werden).
    • Aktien mit Relativer Stärke sollten einem Leitthema zugehörig sein, wie beispielsweise dem Trendthema „Moderne Kriegsführung“; ein Kandidat wäre Palantir, Symbol: PLTR; siehe Grafik 3.

    Ausblick

    Im Beitrag am morgigen Sonntag, 20. April, erläutere ich, welche Branchen und Aktien derzeit auf meiner Beobachtungsliste stehen und wie mein Handelsplan für die kommende Woche aussieht.

    Faik Giese

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