Mittwoch, 12. März 2025

    Die abgelaufene Handelswoche hat aus Sicht eines Marktteilnehmers mehrere wichtige Erkenntnisse gebracht:

    1. Über die kurzfristigen Auswirkungen von Strafzöllen auf einzelne Industriezweige, wie beispielsweise der Automobilindustrie, war sich die US Regierung nicht bewusst.
    2. Verhängte Strafzölle können sehr schnell, das heisst innerhalb von 24 Stunden teilweise und auch ganz wieder rückgängig gemacht werden.
    3. Die derzeitige Unstetigkeit der US Regierung in der Wirtschaftspolitik schadet dem Aktienmarkt.
    4. Der 2. April ist ein wichtiger Tag, an dem die reziproken Zölle verkündet werden.

    Am vergangenen Mittwoch wurden die einen Tag zuvor gegen Mexiko und Kanada verhängten Strafzölle unter anderem auf Autos und Autoteile wieder eingefroren. Nur einen Tag später gab es weitere Ausnahmen für eine grössere Anzahl an Produkten aus Kanada und Mexiko. Die Zölle werden jeweils einheitlich bis 2. April eingefroren.

    Gemäss eines US Regierungssprechers werden derzeit noch 62% der kanadischen und 50% der mexikanischen Waren mit Zöllen belegt. Darunter auch kanadische Energieprodukte, für die Strafzölle in Höhe von 10% gelten. Diese Zahlen könnten sich aber, so der Sprecher, kurzfristig noch ändern.

    Wichtig ist insbesondere, die Begründung für ds Aussetzen der Strafzölle bis 2. April. An diesem Tag werden die reziproken Zölle verkündet. In diesem Rahmen sollen Berechnungen präsentiert werden, welches Land wie viel Waren (Gesamtwert) in die USA exportiert und seinerseits von den USA importiert. Die Differenz (sofern positiv) soll dann durch auferlegte reziproke Zölle beglichen werden.

    Hier bleiben natürlich jede Menge offener Fragen. Nach US Angaben handelt es sich hier um tausende von Berechnungen, die für jedes Land durchgeführt werden müssen. Der Verfasser dieser Zeilen geht davon aus, dass – wie üblich – bereits einige Tage vor dem 2. April Details durchsickern werden.

    US Präsident Donald Trump hat in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt, ab dem 2. April keine kurzfristigen Deals mehr tätigen zu wollen – und dies Aussage explizit auch an die US Autobauer gerichtet.

    Damit ist der 2. April der derzeit wohl wichtigste Termin für Aktienhändler..

    Übersicht zum aktuellen Stand der Modelle

    Stand Gesamtmarktmodell mit Schlusskurs vom vergangenen Freitag, 7. März 2025:

    KomponenteStandPunktestand
    Kursverhalten Einzelaktiennegativ-3
    Sentimentpositiv+2
    Liquidität (monetäre Seite)neutral-0.5
    Gesamtmarktmodell:neutral0

    Unverändert gegenüber der Vorwoche, ist das „Kursverhalten Einzelaktien“ negativ, siehe Grafik 1. Das Marktumfeld wird vom Gesamtmarktmodell derzeit als neutral eingestuft. Massgeblich daran beteiligt ist die Sentiment Komponente.

    Sentiment

    Nach AAII ist der Spread zwischen bullischen und bärischen Privatanlegern nach wie vor mit 37,8% aussergewöhnlich hoch – und damit im konträren Sinne positiv für den Aktienmarkt. Hinzu kommt der deutlich ausverkaufte breite Aktienmarkt (auch wenn die Bewertung einiger hochkapitalisierter Werte hoch bleibt).

    Konkret bedeutet dies:

    Jede positive Nachricht, auch aus dem politischen Bereich, dürfte innerhalb kürzester Zeit zu einem Kursanstieg führen. Dies umso mehr, da die Komponente „Kursverhalten Einzelaktien“ kurzfristig stark ausverkauft ist.

    Liquiditätsseite

    Hinzu kommt als verstärkender Faktor, dass die Liquiditätsseite derzeit neutral ist – und sich damit sehr gut hält. Zumindest kommt derzeit von dieser Seite noch kein zusätzlicher Druck.

    Grafik 2 zeigt den S&P 500 mit dem Zinsniveau der 10-jährigen Staatsanleihen. Das Zinsniveau ist in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen, ohne dass die Komponente deswegen – bislang – negativ geworden wäre.

    Die Marktteilnehmer gehen davon seit letzten Dienstag (Einführung der Strafzölle) davon aus, dass der US Notenbank Fed nicht mehr viel Spielraum für weitere Zinssenkungen bleiben werden – aufgrund des durch die Strafzölle zu erwartenden inflationären Drucks. Das gilt insbesondere für den Fall, dass die reziproken Zölle tatsächlich kommen.

    Was für eine Kurserholung benötigt wird

    Ein wesentlicher Grund, warum die US Aktienmärkte derzeit (noch) nicht wieder nach oben laufen, ist die extreme Sprunghaftigkeit und mangelnde Kontinuität der US Regierung in Sachen Strafzölle.

    In ihrer Bloomberg Kolumne vom gestrigen Samstag schreibt P. Lopez unter anderem (übersetzt): „Finanzbeamte aus Colorado, Illinois, Minnesota, Nevada und Oregon sagten am vergangenen Donnerstag, dass die vagen und wechselnden Ziele der Zölle sowie die abrupt wechselnden Prozentsätze und Starttermine zu Turbulenzen führen, die sich auf ihre Volkswirtschaften auswirken. Sie wissen aus erster Hand, wie wichtig Stabilität und Kontinuität sind.“

    Schlussfolgerung

    Ohne das unstete Verhalten der US Regierung bezüglich Strafzölle gegen Mexiko und Kanada, hätten die Aktienmärkte in den USA und Europa mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits neue Allzeithochs erreicht.

    Wonach die Marktteilnehmer „lechzen“ ist nach Kontinuität, die es in der Wirtschaft braucht. Sobald sich ein Ende des Schlingerkurses in Sachen Handelszölle abzeichnet, gilt es den Investitionsgrad möglichst schnell hochzufahren – natürlich mit kontrolliertem Risiko (soweit am Aktienmarkt möglich) – und dabei zunächst einmal den 2. April als zeitlichen Zieleinlauf für die offenen Positionen zu sehen.

    Plan für die kommende Woche

    Den Handelsplan, der mein Vorgehen in der kommenden Woche beschreibt, habe ich für Mitglieder bereits in einem Beitrag am vergangenen Donnerstag dargelegt.

    Ich überprüfe täglich die Nachrichtenlage und entscheide dann während des Handelstages, ob ein Einstieg zum Ende des Tages sinnvoll erscheint. Dabei wird als eine mögliche Variante die Möglichkeit berücksichtigt, mit kleineren Positionen als üblich zu starten und den „grossen Zeh ins Wasser“ zu halten.

    Faik Giese

    Dies ist keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf. Beachten Sie auch den Risikohinweis.